Betreuerinnen in der Sommerreihe Diakonie RWL

Sara Urselmans und Steffi Forster

Text, Fotos und Video: Ann-Kristin Herbst, Diakonie RWL

Unterstützung statt Bevormundung

Goch. Anträge ausfüllen, mit Behörden und Banken telefonieren, Entscheidungen über Heim- und Klinikaufenthalte treffen – kaum ein Ehrenamt ist so anspruchsvoll wie das des rechtlichen Betreuers. Doch grauhaarig muss niemand sein, um sich für Menschen zu engagieren, die ihr Leben nicht mehr alleine regeln können. Sara Urselmans und Steffi Forster sind der beste Beweis. Die beiden jungen Heilerzieherinnen arbeiten ehrenamtlich im Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve.

Sie kennen sich seit dem Kindergarten, sind zusammen aufgewachsen und arbeiten beide als Heilerzieherinnen in einer Einrichtung für Menschen mit Behinderung. Sara Urselmans und Steffi Forster sind nicht nur beste Freundinnen, sie stellen auch die gleichen Fragen. "Wir haben beide viel mit rechtlichen Betreuern zu tun, die sich um die Angelegenheiten der Menschen mit Behinderung kümmern, die in unseren Einrichtungen leben", sagt Steffi Forster. "Wir wollten sehen und verstehen, wie es auf der anderen Seite aussieht."

Hauptberufliche Betreuer hätten häufig wenig Zeit für den Einzelnen, ergänzt Sara Urselmans. Bis zu 60 Betreuungen oder mehr seien bei vielen rechtlichen Betreuern die Regel. "Eine persönliche Beziehung ist da kaum möglich. Und dann hinter den Entscheidungen zu stehen, wenn man kaum Kontakt hat, finde ich schwierig." Die beiden Heilerzieherinnen waren nicht nur neugierig, sie wollten es auch anders machen. Und meldeten sich deshalb schon vor zehn Jahren beim Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve.

Betreuungsvereine vermitteln Ehrenamtliche

Es klingt ein wenig nach Partnervermittlung, wenn Helma Bertgen vom Betreuungsverein davon erzählt, wie sie Ehrenamtliche und Menschen mit Betreuungsbedarf zusammen bringt: "Die Chemie muss stimmen", betont die Sozialarbeiterin. Sie schaue sich die Anfragen der Gerichte und Betreuungsstellen ganz genau an und versuche dann, einen passenden Ehrenamtlichen zu finden.

Rund 1,3 Millionen Menschen in Deutschland brauchen eine rechtliche Betreuung. In den meisten Fällen kümmern sich Familienangehörige oder professionelle Betreuer darum. Daneben gibt es rund 850 Betreuungsvereine, im Bereich der Diakonie RWL sind es rund 50, deren Aufgabe es ist, alle ehrenamtlichen Betreuer zu unterstützen. 50 Prozent der Ehrenamtlichen sind Familienangehörige.

"Die örtliche Nähe ist das erste Kriterium, aber ich sehe mir auch die bisherigen Erfahrungen der Ehrenamtlichen an, vor allem, was sie beruflich machen", erklärt Bertgen. Bei manchen Betreuungen bräuchten die Ehrenamtlichen mehr Durchsetzungsvermögen oder besonderes Fachwissen. Es gehe darum, Ehrenamtliche nicht zu überfordern. Bevor jemand eine Betreuung übernehme, gebe es ein erstes Kennenlernen. Erst wenn beide – der Ehrenamtliche und der Betreute – einverstanden seien, würde der Betreuervorschlag an das Gericht weitergeleitet.

Unterstützung bei schwierigen Entscheidungen

"Ohne den Betreuungsverein im Rücken müsste ich mir gut überlegen, dieses Ehrenamt zu machen", sagt Steffi Forster. Sie betreut – genau wie ihre Freundin Sara Urselmans jeweils zwei Menschen. Sie haben mit dem Verein einen kompetenten Ansprechpartner und werden in Seminaren und Schulungen auf ihr Ehrenamt vorbereitet.

Forster weiß, wie wichtig es ist, sich rückversichern zu können. Eines Abends rief ein Arzt aus dem Krankenhaus bei der 33-Jährigen an. Die von ihr betreute Frau liege im Koma. "Er fragte mich, ob er die lebenserhaltenden Maschinen abstellen solle", erzählt Forster. Eine Patientenverfügung gab es nicht. "Das war ein echter Ausnahmezustand. Ich habe mich sehr unter Druck gesetzt gefühlt."

Beim Betreuungsverein Goch riet man ihr, die Entscheidung des Arztes nicht zu ihrer zu machen. Die Verantwortung liege beim Krankenhaus. "Das war wichtig für mich, das noch einmal zu hören", erinnert sich die 33-Jährige. Die von ihr betreute Frau sei wieder gesund geworden und konnte nach einiger Zeit aus dem Krankenhaus entlassen werden.

Anträge, Formulare und Telefonate

Solch ein dramatischer Moment sei eher die Ausnahme, sagt Bertgen. "Häufig sind es ganz praktische Dinge, um die wir uns kümmern", bestätigt Sara Urselmans. Die 81 Jahre alte Frau, die sie betreut, brauchte vor einigen Wochen eine neue behindertengerechte Dusche. In den letzten Wochen hat sie Anträge bei der Krankenkasse gestellt, Telefonate geführt und Termine mit den Handwerkern ausgemacht.

Wie viel Zeit die Ehrenamtlichen mit ihren Klienten verbringen, ist ganz unterschiedlich. "Manchmal sehen wir uns jede Woche", erzählt Steffi Forster. "Und dann wieder für mehrere Monate nicht – je nachdem, was gerade anliegt." Im Durchschnitt investieren ehrenamtliche Betreuer vier Stunden im Monat.

Herbstfeste und Kaffeetrinken

"Ich versuche schon, auch immer mal wieder was Schönes mit meinen Betreuten zu machen", erzählt Urselmans. Herbstfeste oder Kaffeetrinken gehen, gehören für die beiden Freundinnen dazu. Sie sind nicht nur füreinander, sondern eben auch für ihre Betreuten da. "Man muss schon eine Ader dafür haben, dass man anderen Menschen gerne hilft", sagt Urselmans.

Diese Ader haben viele im Umfeld der beiden Frauen. Die Freundinnen haben ihre Ehemänner und weitere Familienmitglieder für das Ehrenamt begeistert. Und wer einmal anfängt, scheint nur schwer wieder aufhören zu können: "Kennst du vielleicht noch eine ältere Dame, die eine Betreuerin sucht?", fragt Steffi Forster an Helma Bertgen gewandt. "Eine Bekannte von mir würde gerne noch eine zweite Betreuung übernehmen."

Info: Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve
Der Betreuungsverein der Diakonie im Kirchenkreis Kleve wurde 1992 nach der Reform des Vormundschaftsgesetzes gegründet. Der Verein mit Sitz in Goch ist einer der größten Betreuungsvereine im Gebiet der Diakonie RWL. Fast 600 ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer werden durch den Verein geschult und unterstützt. Rund 300 der Ehrenamtlichen sind direkte Angehörige der betreuten Personen. Neben der Vermittlung der Ehrenamtlichen führt der Verein auch 140 hauptamtliche Betreuungen. Zwei der fünf Mitarbeitenden führen ausschließlich Betreuungen, während die anderen drei auch für die Beratung und Begleitung der ehrenamtlichen Betreuer zuständig sind. Immer wieder müssen Betreuungsvereine schließen, zu schlecht ist die Refinanzierung. Der Verein in Goch wird durch Mittel aus der Kirchensteuer unterstützt.

Im Original finden Sie das Interview hier.

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