20 Jahre "Gemeinsam ohne Alcohol"
Kevelaer. Alkoholkranke setzen alles aufs Spiel, was ihnen eigentlich wichtig ist: Familie, Partnerschaft, Gesundheit und finanzielle Existenz. Vor 20 Jahren gründete Uwe Hoppmann in Kevelaer die Selbsthilfegruppe „Gemeinsam ohne Alcohol.“ Ein Jubiläum, auf dass er stolz sein kann ebenso wie auf seine eigene Abstinenz.
Das verkehrte „c“ im Gruppennamen diene der Aufmerksamkeit und dem Gespräch, was sich daraus ergibt, so Hoppmann im Generationenhaus der Ev. Kirchengemeinde Kevelaer. Dort nämlich trifft sich die Gruppe seit 20 Jahren. „Wir haben das als diakonische Aufgabe der Gemeinde erkannt und dem Wunsch nach Räumlichkeiten sofort entsprochen“, erinnert sich Pfarrerin Karin Dembek. Zwischen 5 Menschen am Anfang und über 20 Teilnehmerinnen und Teilnehmer zählte die Gruppe in den vergangenen Jahren.
„Im Schnitt sind wir mit 15 Menschen aus Gemeinden des Südkreises, die jeden Montag ab 19:45 Uhr kommen“, sagt Hoppmann. Und erzählt, wie es ihm selbst ergangen ist. Irgendwann sagte seine Frau: „Wenn du nichts änderst, nehme ich den Sohn und gehe.“ Zwei Flaschen Schnaps trank der heute 65-Jährige damals am Tag. Dazu ein Berg Schulden. Es sei keine Frage des Verstandes gewesen, so Hoppmann, „ich wusste, ich mache da was komplett falsch“. Selbst nach vier Jahren Trockenheit wurde er einmal rückfällig. „Es kann für jeden Alkoholabhängigen Schicksalsschläge geben, wo er oder sie nicht mehr weiter weiß.“ Dann ist es gut, so eine Gruppe und direkte Ansprechpartner zu haben.
„Wichtig ist bei uns, dass wir auf Augenhöhe miteinander reden können. Wir wissen, wie es als Alkoholiker ist und wie es ist, Abstinenz durchzuhalten.“ Jeder kann zu den Stunden kommen, außer einem Vornamen braucht es erstmal nichts. Es wird Zeit gegeben, sich der Gruppe zu öffnen. Auch Ausflüge stärken den Zusammenhalt.
Die „Volksdroge Alkohol“ ist gesellschaftlich immer noch akzeptiert. Im Gegensatz zu Zigaretten, deren Konsum seit Jahren rückläufig ist und an vielen öffentlichen Orten verbannt wurde. „Zu meiner Jugendzeit verband man Alkoholismus nur mit dem Penner, der unter der Brücke lebt“, so Hoppmann. Tatsächlich trete Alkoholismus jedoch in allen Schichten und Altersgruppen auf. „Männer sind Gesellschaftstrinker, Frauen trinken eher heimlich“, ist Hoppmanns Beobachtung. Depressionen können dazukommen, verstärken den Teufelskreis.
Warum wird der eine ein Trinker, ein anderer aus der gleichen Clique nicht? Eine Gefahr liegt in der schleichenden Entwicklung der Krankheit. Keiner fängt mit zwei Flaschen Schnaps an. „Ich stand auf einmal morgens mit zittrigen Händen und geschwollenen Augen vor dem Spiegel und fragte mich: Was ist aus dir geworden?“ Wenn schon morgens der Gedanke aufkommt: wann und wo kannst du heute trinken? Spätestens dann sei Hilfe nötig, so Hoppmann. Viele Trinker denken bis zum Absturz: „Ich kann jederzeit aufhören.“ Sogar eine Fastenzeit, 7 Wochen nach Karneval, konnte Hoppmann prima ohne durchhalten – weil Ostern ein nahes Ziel war.
„Gemeinsam ohne Alcohol“ wird von Diakonie, Caritas und anderen Kooperationspartnern begleitet", erzählt Hoppmann. „Stephan Gnoß von der Suchtberatung der Diakonie besucht die Gruppe regelmäßig.“ Gnoß helfe auch im Bereich Familienberatung weiter – denn eine Sucht betrifft nie nur den Süchtigen. Eine Gruppe wie „Gemeinsam ohne Alcohol“ kann natürlich keine Therapie ersetzen. Aber für die Zeit danach ist sie sinnvoll. „Auch mich erinnert sie daran, dass da etwas ist, was ich nie wieder erleben will“, schildert der Gruppengründer.
Im Dezember feiert die Gruppe das Jubiläum und eine Weihnachtsfeier – in Corona-Zeiten in kleinem Rahmen – aber wichtig zu feiern ist es trotzdem.
www.ohne-alcohol.de