Fachtag Wohnungsnotfallhilfe: Vernetzung
Goch. Dass mehr Wohnungen helfen würden, ist klar. Auch, dass die Regierung weit hinter ihrem selbstgesteckten Ziel von 400.000 neuen Wohnungen pro Jahr bleibt. Zum Fachtag Wohnungsnotfallhilfe hatten der Caritasverband Kleve, der Sozialdienst katholischer Frauen im Kreis Kleve (SkF) und die Diakonie im Kirchenkreis Kleve in das Ev. Begegnungshaus M4 eingeladen. „Es braucht engagierte Menschen wie Sie, die Menschen zu einer Wohnung verhelfen“, dankte Karl-Josef Laumann, NRW-Minister für Arbeit, Gesundheit und Soziales. Laumann versprach im Begrüßungsvideo außerdem, dass die Kümmerer-Projekte der Landesinitiative „Endlich ein Zuhause“ bis Ende 2027 verlängert und finanziert würden, da sie sich bewährt hätten.
Zum Stichtag 31.01.2024 waren bundesweit 439.500 Menschen wohnungslos. Ein Plus von 18 Prozent zum Vorjahr. Die Zahl steigt seit vielen Jahren kontinuierlich. Die Träger der Wohnungsnotfallhilfe im Kreis Kleve sind sich einig: „Das ist ein Skandal in einem reichen Land wie unserem“. „Setzen Sie Ihre Hoffnung weniger in Neubauten oder der besseren Ausnutzung von Leerstand“, riet Alexander Flatters, Fachreferent für Sozialpolitik, Statistik, Demographie des Verbands der Wohnungswirtschaft (VDW). Der VDW vertritt Wohnungsbaugesellschaften in ganz Deutschland, deren Mitglieder rund 20 Prozent aller Mietwohnungen abdecken. Für die Wohnungsnot gebe es mehrere Gründe, so Flatters. „Kostensteigerungen bei Baumaterialien und Personal, Fachkräftemangel, Inflation, der Ukraine-Krieg, eine älter werdende Bevölkerung und ein Verharren von kleinen und mittleren Einkommen im Mietsegment: Menschen, die früher ein Haus gebaut hätten, wohnten heute länger zur Miete. Ein Verdrängungswettbewerb, der den umkämpften Wohnungsmarkt noch mehr verschärfe. „Noch mehr Austausch und Kooperation zwischen Wohnungsnotfallhilfe und der Wohnungswirtschaft sei jedoch in jedem Fall hilfreich“, so Flatters.
Die rund 30 Teilnehmenden des Fachtags freuten sich über die Vernetzung, die der Fachtag ermöglichte. Denkanstöße gab auch der Vortrag von Wilfried Fenner. Er sprach über die seit 10 Jahren tätige Wohnungsnotfallhilfen Oberberg. „Es geht nur mit aufsuchender Arbeit“, sagte er und erzählte, wie wichtig der regelmäßige Austausch zwischen freien Trägern der Wohnungsnotfallhilfe, den Jobcentern, Ordnungs- und Sozialämtern sei. Im Oberbergischen Kreis gebe es sogar seit 2017 die Regelung, dass Amtsgerichte Räumungsklagen aufgrund von Mietschulden zeitgleich zu Ämtern und der Wohnungsnotfallhilfe verschickten. „Das gibt uns mehr Zeit zu helfen, bevor eine Klage vollstreckt wird oder Einspruchsfristen verstreichen“, so Fenner. Mit früher Hilfe wachsen die Chancen auf Wohnungserhalt und Vermeidung weiterer Hilfebedarfe. Der Datenschutz verhindere allerdings bislang, dass die Hilfestruktur frühzeitiger von Mietern in Schwierigkeiten hört, wenn diese sich nicht von sich aus meldeten.
Die drei gastgebenden Verbände berichteten von ihrer Arbeit im Projekt „Endlich ein Zuhause“: „Bei manchen hilfesuchenden Frauen fangen wir bei Null an“, berichteten die Mitarbeiterinnen des SkF, Hildegard Holland, Christina Hell und Katrin Geraths. Über Frauenhäuser, Beratungsstellen und psychologische Fachdienste kämen Frauen zu ihnen. Teilweise aus Gewaltbeziehungen, ohne Geld, Personalausweis, Arbeitsstelle, Konto oder Wohnung. Übergangswohnungen der Wohlfahrtsverbände würden Frauen und Männern wieder einen ersten Halt geben. Der Caritasverband Kleve fährt im Nordkreis mit einem Kleinbus einschlägige Orte ab, um Menschen direkt anzusprechen und Hilfe anzubieten. Das Projekt und ihre Arbeit stellten Katharina Egging und Marie Laakmann vor. „Das Erste ist immer, eine Vertrauensbasis zu den Menschen aufzubauen.“
Diakonie-Mitarbeiter Yannick Gorthmanns berichtete von einem jungen Mann, der seit 5 Jahren nicht für eine einzige Wohnung vorsprechen durfte. Das mache mutlos und verzweifelt. Ein Video über eine Betreute der Diakonie sowie eine Parkbank-Aktion lenkte die Aufmerksamkeit auf die Rolle der Vermieter. „Von Ihnen wünschen sich Ratsuchende der Wohnungsnottfallhilfe vor allem mehr Respekt, Interesse an besonderen Lebensumständen und eine klare aber wertschätzende Kommunikation“, so Jutta Seven, Mitarbeiterin der Wohnungsnotfallhilfe der Diakonie in Geldern. „Unsere Arbeit ist vor allem präventiv, wir möchten den Wohnungsverlust vermeiden“, meint Seven. Jede gerettete Wohnung sei jemand weniger auf der Straße oder in einer Unterkunft. Außerdem hilft Seven mit Diana Hendrix und Constanze Mutz Menschen etwa bei der schriftlichen Bewerbung um eine Wohnung oder anderen Rahmenbedingungen, welche die Wohnfähigkeit von Mietern erhöhen. Die Erfahrung zeigt, besonders schwer bei der Wohnungssuche haben es Alleinerziehende mit Kindern und Alleinstehende mit Haustieren.
Info „Endlich ein Zuhause“
Die Kümmerer-Projekte der Landesinitiative „Endlich ein Zuhause“ werden wird finanziell durch Mittel der Europäischen Union, des Landes NRW und des Kreises Kleve unterstützt. Nach zwei Jahren ist deutlich: Bedarf und Nachfrage bleiben groß.