(Diakonie RWL) Rund 32.000 Menschen aus ganz Nordrhein-Westfalen haben auf den Oberkasseler Rheinwiesen in Düsseldorf für ein soziales NRW und gegen die Kürzungspläne der Landesregierung im Sozialbereich protestiert. Auch eine Gruppe der Diakonie im Kirchenkreis Kleve und der Ev. Integrativen Kindertagesstätte Goch füllte einen Reisebus und war bei der Demo dabei. Zur Großdemo hatte die Freie Wohlfahrtspflege aufgerufen. "Nehmen Sie die Sozialkürzungen zurück!", forderte Diakonie RWL-Vorständin Kirsten Schwenke die schwarz-grüne Landesregierung auf.
"Wir sind viele. Wir sind stark. Und wir werden weiterhin zusammenhalten und laut sein – jetzt erst recht", sagt Verena Weber, Pflegedienstleitung in Ratingen, nach gut zwei Stunden Demo auf den Oberkasseler Rheinwiesen. Gemeinsam mit rund 400 Kolleginnen und Kollegen aus allen Bereichen der Diakonie im Kirchenkreis Düsseldorf-Mettmann ist sie an diesem Mittwoch nach Düsseldorf gekommen, um unter dem Motto "NRW bleib sozial!" ein starkes Zeichen gegen die geplanten Kürzungen der NRW-Landesregierung zu setzen. "Wir sind heute mit so vielen Mitarbeitenden dem Aufruf zur Demo gefolgt, weil wir endlich von der Politik gesehen und gehört werden wollen", sagt sie. Auch ihre Klient*innen hätten sie dazu ermuntert. "Einige haben sogar extra ihre Termine für heute bei uns abgesagt, damit wir zur Demo fahren können", so Weber weiter.
Der Haushaltsentwurf 2025 sieht erhebliche finanzielle Kürzungen im sozialen Bereich vor, die eine drastische Einschränkung zahlreicher Programme und Projekte zur Folge haben. Zu den am stärksten betroffenen Bereichen zählen soziale Beratungen, Familienhilfen, Angebote zur Förderung von Integration und Beratung für Geflüchtete, Altenhilfe sowie Suchthilfe. Das wollen die Demonstrierenden, die mit Bus und Bahn aus dem Ruhrgebiet, vom Niederrhein, aus dem Münsterland und aus dem Sauerland angereist sind, nicht hinnehmen. "Die Vorschläge der Landesregierung für den NRW-Haushalt 2025 sind nicht nur ein Rückschritt für die soziale Infrastruktur", sagt auch Diakonie RWL-Vorständin Kirsten Schwenke. "Sie sind eine regelrechte Bedrohung."
Als Bedrohung empfindet auch Monika Steinbach von der Betriebsstätte Spielkaulenweg der Hephata Arbeit die Haushaltspläne der Landesregierung. "Für so viele Dinge ist Geld da. Aber gerade im sozialen Bereich soll nun massiv gekürzt werden, das darf nicht passieren." Denn nur weil das Geld künftig wegbleibe, heiße das nicht etwa, dass damit auch die Probleme wegfielen. Unterstützt wird Monika Steinbach von rund 30 Beschäftigten, die sich mit ihren pinken Caps als "Gruppe Hephata Arbeit" präsentieren und schon früh morgens aus Mönchengladbach angereist sind.
Mit einigen mehr, nämlich rund 40 Personen haben sich Beschäftigte des Neukirchener Erziehungsvereins auf den Weg zur Demo gemacht. "So nicht!", "Was soll das?!" und "Menschenwürde" steht auf ihren Schildern, die sie dafür eigens gestaltet haben. "Kinder brauchen verlässliche Fachkräfte. Deshalb sind wir heute mit Erzieherinnen und Erziehern aus neun Kitas und zwei OGS hier und demonstrieren gegen die Kürzungspläne", berichtet Karin Braun, Bereichsleitung Kitas und schulische Betreuung. Der laufende Betrieb sei dadurch nicht gefährdet, das ist ihr wichtig. "Wir haben heute extra eine Notbetreuung organisiert. Die Eltern stehen hinter unserer Aktion." Ihr Appell: "Wir alle lieben unseren Beruf. Aber wir hätten gerne das Geld und das Personal, das für eine gute Bildung und Betreuung der Kinder nötig ist." Eine auskömmliche Finanzierung sage darüber hinaus auch viel aus über die Wertschätzung gegenüber den sozialen Berufen.
Soziale Strukturen sind wichtig
Gleich mit drei Bussen sind Beschäftigte der Diakonie Solingen angereist. Sie werden dabei den ganzen Tag von einem Team der WDR-Sendung "Westpol" begleitet, das seinen Schwerpunkt auf den Bereich Schuldner- und Insolvenzberatung legt und dabei besonders die Kürzungspläne bei den Fachberatungen in den Blick nimmt. "Unsere Arbeit wird dringend gebraucht, weil so viele Menschen von Armut bedroht oder bereits betroffen sind", sagt Ulrike Kilp, Geschäftsführerin Diakonisches Werk Solingen. "Vielen Menschen ist vielleicht bislang noch nicht so wirklich klar, was fehlt, wenn wir fehlen", sagt sie. Egal ob in der Arbeit mit Menschen mit Behinderungen, mit Kindern und Jugendlichen, mit Geflüchteten oder mit Menschen, die von Armut betroffen sind. "Wenn die sozialen Strukturen fehlen, die die Freie Wohlfahrt gewährleistet, und die Werte nicht mehr gelten, die wir als Diakonie leben wollen, dann wird sich die ganze Gesellschaft ändern."
Diskussion auf der Bühne
Während vor der Bühne 32.000 Menschen klatschen, pfeifen und auch mit Buh-Rufen ihren Unmut zeigen, stellen sich auf der Bühne CDU-Minister Karl-Josef Laumann (Arbeit, Gesundheit und Soziales) und Grünen-Ministerin Josefine Paul (Kinder, Jugend, Familie, Gleichstellung, Flucht, Integration) sowie die Fraktionsvorsitzenden des NRW-Landtags den kritischen Fragen von Moderator Christian Hermanns und Vertreter*innen der Freien Wohlfahrtspflege.
Ministerin Paul versichert, dass die Landesregierung darum "kämpfe, die soziale Infrastruktur in NRW zu erhalten". Sie verspricht zudem, bei der Asylberatung für Jugendliche und minderjährige unbegleitete Jugendliche Verbesserungen bei der finanziellen Förderung vorzunehmen. NRW-Gesundheits- und Sozialminister Karl-Josef Laumann (CDU) verweist gleich mehrfach darauf, dass die Schwerpunkte der Landesregierung im kommenden Jahr auf den Bereichen Schulen, Kita und sozialer Wohnungsbau liegen würden. Dort werde die Landesregierung finanziell aufstocken. Viele der geplanten Kürzungen im Sozialbereich würden hingegen nicht mehr korrigiert werden können, da ein ausgeglichener Haushalt vorgelegt werden müsse. Die Bereiche Integration in den Arbeitsmarkt, Bekämpfung der Obdachlosigkeit und Gesundheit würden allerdings keine Kürzungen erfahren, so der Sozialminister weiter.
Schmerzhafte Kürzungen
Einig sind sich die anwesenden Politiker*innen darin, dass die Demonstration und die hohe Teilnehmendenzahl ein deutliches Zeichen dafür seien, dass die Kürzungen im Sozialbereich nicht klaglos hingenommen würden. Die Kürzungen empfinde auch die Landesregierung als "schmerzhaft und frustrierend", aber gleichzeitig seien sie notwendig. Dennoch erfahre die soziale Arbeit in der Landespolitik eine hohe Wertschätzung. Und, so die Ankündigung von Minister Laumann: Wenn das Land wieder mehr Einnahmen verbuchen könne, würden einige der nun geplanten Kürzungen korrigiert und würde wieder mehr ins Soziale investiert.
Diakonie RWL-Vorständin Kirsten Schwenke gehen die Zusagen nicht weit genug. "Wenn diese Kürzungen tatsächlich so umgesetzt werden, wie es jetzt auf dem Papier steht, dann werden die Folgen für viele von uns sichtbar und spürbar sein." Allen sei bewusst, dass die Haushaltslage in NRW angespannt sei. "Aber der von der Landesregierung vorgeschlagene Haushalt setzt ganz klar die falschen Prioritäten und gefährdet den sozialen Zusammenhalt in unserer Gesellschaft. Schließlich sind soziale Programme das Rückgrat einer solidarischen Gemeinschaft."
In ihrem Schluss-Appell fordert Kirsten Schwenke deshalb alle Demonstrierenden auf, nicht nur an diesem Tag, sondern auch darüber hinaus weiter laut zu sein. "Lasst uns gemeinsam viele weitere Zeichen für ein soziales NRW setzen!"