Mieter nicht auf die Straße setzen
Diakonie RWL fordert Aussetzung von Zwangsräumungen in der Corona-Krise
(Düsseldorf). Nach anfänglicher Zurückhaltung der Gerichte in der Corona-Pandemie beobachtet das Diakonische Werk Rheinland-Westfalen-Lippe (Diakonie RWL) eine Zunahme von Zwangsräumungen aufgrund von Mietschulden. „Selten zuvor hat die eigene Wohnung als Schutz- und Lebensort eine so große Rolle gespielt wie in der Corona-Krise. Sie zu verlieren, bedeutet gerade jetzt eine Katastrophe“, sagt Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann.
„Viele Mieter sind in Kurzarbeit oder haben ihren Job verloren. Sich eine günstigere Wohnung zu suchen, ist schon in normalen Zeiten schwierig, aber jetzt nahezu unmöglich.“ Die Diakonie RWL appelliert daher an Amtsgerichte und Gerichtsvollzieher, Menschen in der Corona-Krise nicht auf die Straße zu setzen.
Keine Chance gegen Räumungsklagen
Laut einer Abfrage des Wohlfahrtsverbands, der rund 5.000 evangelische Sozialeinrichtungen zwischen Bielefeld und Saarbrücken vertritt, werden im Oberbergischen Kreis, im Rheinisch-Bergischen-Kreis, in Bielefeld, Iserlohn und Saarbrücken wieder Räumungsklagen vollzogen. Der Antrag einer alleinerziehenden Mutter mit zwei Kindern aus Saarbrücken auf Aufschub der Räumung war vom dortigen Amtsgericht abgelehnt worden. Sie musste die Wohnung mit ihren Kindern verlassen.
Im Fall einer Frau aus dem Oberbergischen Kreis konnte die Zwangsräumung nur deshalb nicht stattfinden, weil es juristisch formale Fehler gegeben hatte. „Leider reicht den Gerichten der Hinweis auf die drohende Obdachlosigkeit oft nicht aus, wenn Menschen einen sogenannten „Vollstreckungsschutzantrag“ gegen die Zwangsräumung stellen“, erklärt Heine-Göttelmann.
Auch Zwangsräumungen kosten Geld
Nach einem Urteil des Landesgerichts Berlin vom 26. März 2020 müssen Räumungsfristen bis zum 30. Juni 2020 verlängert werden. Doch das Urteil gilt nicht in anderen Bundesländern. So gab es Mitte März nur einen Erlass des NRW-Justizministeriums, in dem allen Gerichten „empfohlen“ wurde, den Dienstbetrieb auf das „unbedingt notwendige Maß zu reduzieren“. „Doch mit den schrittweisen Lockerungen der Kontaktbeschränkungen nehmen die Gerichtsvollzieher wieder ihre Tätigkeiten auf und setzen Räumungen durch“, beobachtet Jan Orlt. Er ist bei der Diakonie RWL für rund 100 Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe zuständig.
Die Diakonie RWL wendet sich daher auch an private Vermieter und Wohnungsbaugesellschaften. „Verzichten Sie, wenn irgend möglich, in der Corona-Krise auf Räumungsklagen“, bittet Diakonie RWL-Vorstand Christian Heine-Göttelmann. Schließlich kosteten auch Zwangsräumungen den Vermieter Geld – häufig zwischen 8.000 und 20.000 Euro. „Oft lassen sich mit Hilfe unserer Experten in der diakonischen Wohnungslosenhilfe bessere Lösungen finden. Denn wer den Dialog zum Mieter und der Wohnungslosenhilfe sucht, vermeidet eine Eskalation und findet häufig eine einvernehmliche und vor allem für den Vermieter kostengünstigere Lösung.“
Weitere Hintergründe zu Räumungsklagen www.diakonie-rwl.de/themen/soziale-hilfen/wohnungslos-corona-krise